Freiwilligendienst
„Fröhlich sein, Gutes tun und die Spatzen pfeifen lassen.“ Dieses Motto Don Boscos kennt Ihr sicher alle! Einige aus unserer Schulgemeinschaft haben sich dieser Worte in ganz besonderer Weise angenommen und nach dem Abitur ein freiwilliges soziales Jahr in der Ferne absolviert.
Der erste Don Bosco-Absolvent, der ein freiwilliges Jahr im Süden Afrikas leistete, war Marius Heimlich (Abi 2011), der im Anschluss an seine Schulausbildung ein Jahr in Swasiland verbrachte. Ein Jahr war es Catharina Döpper, die nach ihrem Abschluss ins afrikanische Land Sambia gereist ist, um dort vor Ort ein ganzes Jahr lang den Ärmsten der Armen zu helfen. Link zu Catharinas Sambia-Blog
In den Jahren 2014 und 2015 weilte Julian Schuhmann in Israel, wo er in der Nähe von Tel Aviv mit Autisten arbeitete. Simon Mühlbauer aus dem Abiturjahrgang 2016 verbrachte ein Jahr im asiatischen Ost-Timor. Hier unterrichtete er Schulkinder in Englisch. Im August 2017 fuhr unser frischgebackener Abiturient Alexander Tepel für ein Jahr nach Israel, wo er in Kfar Tikva eine Wohneinrichtung für geistig und körperlich behinderte Menschen unterstützte.
2021 reiste Linus Mlekuz-Vencelj auf die Philippinen. Linus gab Herrn Schulte-Oversohl damals ein ausführliches Interview.
SuoC: Hallo Linus. Ich freue mich sehr, dass Du uns an Deinem Abenteuer teilhaben lässt. Auf die Philippinen zu kommen, ist bestimmt gar nicht so einfach. Um ein klassisches Urlaubsland handelt es sich ja nicht gerade.
Linus: Der Hinflug war relativ entspannt und hat plus Umstiege etwa 23 Stunden gedauert. Wir sind von Frankfurt nach Jeddah in Saudi-Arabien, dann nach Manila und zum Schluss nach Iloilo geflogen. Mir sind bei der Landung in Manila tatsächlich die Tränen gekommen. Ein ganzes Jahr verging seit meiner Bewerbung, so lange habe ich darauf gewartet.
Übrigens sind zwischen Deutschland und den Philippinen sechs bzw. sieben Stunden Zeitunterschied. Während der Winterzeit lebe ich also sieben Stunden in der Zukunft. ;-)
Du bist mit einer Organisation unterwegs. Wie hat man Dich an Deine Arbeit herangeführt?
Die erste Woche hatten wir ein Einführungsseminar und danach wurden wir in unsere Unterkünfte geschickt, wo ich mit fünf Mädchen in einer WG gelebt habe. Anfangs habe ich bei „Uygongco“ gearbeitet. Die Organisation unterstützt Schulen mit Spenden und Geld.
Beim Thema Schule können wir alle mitreden. Wie ist der Unterricht auf den Philippinen organisiert?
Aufgrund des Lockdowns wurden die Schulen erst wenige Wochen vor unserer Ankunft wieder geöffnet. Der Lockdown hat hier tatsächlich zwei Jahre gedauert; das hat uns alle ziemlich schockiert. Nach etwa einem Monat durften wir dann in die Grundschulen, drei Freiwillige pro Schule. Jedoch fielen unsere Aufgaben dort mager aus: Wir haben hinten im Klassenraum gesessen und zugeguckt. Die Lehrer wollten nicht, dass wir helfen. Wir wurden als Gäste gesehen, und uns wurden während des Unterrichts auch ständig Essen vorbeigebracht. Das war ziemlich unangenehm - vor allem, weil viele der Kinder kaum etwas zu essen haben
Philippinische Schulen sind natürlich anders als in Deutschland. Leider war ich bisher nur in Grundschulen, aber das finden Sie sicher trotzdem ganz interessant. Es gibt immer Mutiple-Choice-Aufgaben. Selbst im College muss man in den „exams“ die Antwort ankreuzen, anstatt selber etwas zu schreiben. Die Philippinen kennen das Prinzip vom spielerischen Lernen nicht. Sogar im Kindergarten gibt es schon Unterricht, und es werden Tests geschrieben.
Auch die Klassenräume sind anders aufgebaut als bei uns: Das Pult steht hinten im Raum, die Tafel vorne und in einer Ecke ist ein Comfort Room, also ein Klo, das allerdings mit „Komfort“ nicht viel zu tun hat. Die Wände reichen nicht bis zur Decke, weshalb man alles hört...
Auch außerhalb der Schule war das Leben auf den Philippinen anfangs bestimmt ein Kulturschock für Dich als Mitteleuropäer.
Die Philippinen sind voller Straßentiere. Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie viele Tiere auf den Straßen unterwegs sind. Hauptsächlich Hunde. Katzen sieht man auch manchmal. Leider sind sie in einem furchtbaren Zustand: abgemagert, teilweise ohne Fell, verletzt, schwanger, von Flöhen und Parasiten befallen. Einige haben auch entstellte Augen.
Im September habe ich ein Miauen im Garten gehört. Nach einigem Suchen habe ich eine Baby-Straßenkatze gefunden. Am Anfang wollte ich sie wegen des Tollwutrisikos nicht anfassen, irgendwann war es mir aber egal (nicht die schlauste Einstellung, ich weiß). Ich habe sie bei mir aufgenommen. Zu der Zeit habe ich im Stadtteil Molo gelebt, deswegen habe ich sie Mola genannt. Ohne mich wäre sie wahrscheinlich gestorben. Ich bin zum Tierarzt mit ihr, und sie wurde auch gegen Tollwut geimpft. So konnte ich wenigstens einem Tier helfen; das gibt mir schon'mal ein besseres Gewissen.
Es ist eine unfassbare Erfahrung, in einem Entwicklungsland zu leben. Ich hätte nicht gedacht, dass ich es normal finden werde, wenn Tiere vor mir geschlachtet werden, oder ich eine Kakerlake oder „Riesenkrabbenspinne“ im Bad habe. Die können Sie gerne mal googeln: Die werden größer als eine Hand.
Nein danke, Linus. Aber wie funktioniert es eigentlich mit der Verpflegung?
Das Essen hier ist leider sehr süß und oft frittiert. Sogar in der Soße für Nudeln ist Zucker drin. Ich persönlich bin die sehr einfache philippinische Küche gewohnt, da ich ja bei den Einheimischen lebe, wenn ich unterwegs bin. Es gibt Reis mit Fisch oder Fleisch, manchmal auch Ei dazu. Ohne Soße oder Gewürze. Und das Fleisch ist auch nicht nur Fleisch. Es wird ein Tier geschlachtet, gehäutet, dann kleingehackt und in den Topf geworfen. Weil die Tiere hier sehr mager sind, besteht das Fleisch eigentlich nur aus Haut und Knochen. Das beliebte Gericht auf dem Foto nennt sich Chicken Adobo.
SuoC: Beim letzten Mal hast Du uns erzählt, dass Du in der Schule anfangs nicht viel zu tun hattest. Hat sich das mit der Zeit geändert?
Linus: Die Arbeit hat mich frustriert, weil wir ja kaum Aufgaben hatten. Daher habe ich die Organisation gewechselt. Seit dem 1. Dezember arbeite ich jetzt bei CCF - mit einer anderen Freiwilligen, die mittlerweile eine gute Freundin geworden ist. Diese Organisation ist christlich und unterstützt Gemeinden und Familien in kleinen Dörfern auf meiner Insel.
Unsere Arbeit besteht aus Trips: Wir fahren in die Dörfer, leben mit den Menschen und beschäftigen uns mit den Kindern. Ich liebe die Arbeit. Jetzt bekomme ich einen viel ehrlicheren Einblick in das philippinische Leben und sehe jeden Tag etwas Neues. Neulich sind wir mit Motorrädern acht Stunden lang in den Dschungel gefahren, um ein „indigenes Volk“ zu besuchen. Jedoch ist es schon etwas eingebürgert. Ich bin total begeistert und fasziniert von den Menschen und Orten, auf die ich treffe.
Jeden Sonntag gehen wir in die Kirche unserer Gemeinde. Ich bin zwar nicht unfassbar gläubig, aber es ist trotzdem sehr interessant, wie der Gottesdienst abläuft: Hier auf den Philippinen spielt eine Band im Hintergrund. Wir sind auch nicht in einer Kirche, sondern in einem normalen Raum mit kleiner Bühne. Es ist eher wie ein kleines Konzert. Es werden moderne Songs gespielt, und am Ende gibt es eine Predigt von einem Pastor.
Du sagst, Du bist mit dem Motorrad unterwegs. Bei uns in Deutschland streiken gerade die Bus- und Straßenbahnfahrer. Gibt es auf den Philippinen einen ÖPNV?
Kennen Sie die typischen Jeepeneys und Trysicles? Das sind quasi die öffentlichen Verkehrsmittel. Ein Jeepeney funktioniert ähnlich wie ein Bus. Es sind lange Autos, die ihre Routen fahren. Trysicles sind Motorräder mit Beiwagen. Gerade die Jeepeneys sehen ziemlich cool und Hippie-mäßig aus.
So ein Transport setzt ja Kommunikation voraus. Wie klappt das mit der Verständigung?
Gesprochen wird in meiner Region Hiligaynon. Eine Sprache, die sich von Tagalog abgewandelt, und durch die spanische Koloniezeit auch ein paar spanische Einflüsse hat. Die zweite Amtssprache ist Englisch, daher komme ich auch ohne Hiligaynon gut aus. In den Dörfern können jedoch nur wenige Menschen Englisch, weshalb ich manchmal gezwungen bin, Hiligaynon zu sprechen. Ich muss sagen, es funktioniert ganz gut. Ich verstehe mehr, als ich sprechen kann, aber es wird.
Der eine oder andere unserer Abiturienten überlegt gerade sicher, ob er auch einen solchen Schritt gehen soll wie Du. Was kannst Du persönlich Interessenten an einem Auslands-FSJ mitgeben?
Jeder Schüler, der überlegt, ins Ausland zu gehen, soll es machen. Nicht zu viel überlegen, einfach machen!
Gerade nach dem Abi ist man noch so jung. Viele Leute verschieben das Reisen auf später. Dabei lernt man so viel für's Leben. Meiner Meinung nach sollte man so früh wie möglich die Welt entdecken. Eine neue Kultur zu entdecken macht Spaß und bereichert.
Natürlich gibt es den Kulturschock und Heimweh, aber man soll sich davon nicht einnehmen lassen. Irgendwann löst man sich sowieso vom Elternhaus. Und je früher man auf sich alleine gestellt ist, desdo früher ist man dazu auch in der Lage. Es ist reine Einstellungssache.
Ich persönlich würde jedem empfehlen, in ein Entwicklungsland zu gehen. Hier auf den Philippinen lerne ich nämlich mein Leben schätzen, und wenn ich sehe, wie die Leute hier teilweise leben, dann merke ich erst, wie priviligiert ich eigentlich bin. Es braucht Mut, seine Komfortzone zu verlassen. Aber wenn man einmal draußen ist, steht einem die ganze Welt offen. Und währenddessen noch einen sozialen Beitrag zu leisten, ist noch besser.
Muss man für ein solches FSJ vorab eigentlich viel Geld sparen?
Nein, man braucht keinen Geldspeicher. Ich bin mit nur 200€ eingereist. Anstehende Kosten, zum Beispiel für die Flüge, müssen weder vom Freiwilligen noch von der Organisation getragen werden. Wir wurden aufgefordert, einen Spendenkreis aufzubauen, um diese Kosten zu decken.
Vielen Dank für diese tollen Einblicke, Linus - habe weiterhin eine spannende Zeit auf den Philippinen!