Vergils Aeneis

Vergil. Aeneis

Im Rahmen der Vergil-Lektüre schaute und hörte sich der Grundkurs Latein des Jahres 2012/13 die Oper Dido and Aeneas von Henry Purcell (1689) an. Eine Oper als Rezeption des römischen Nationalepos? Barock-Musik im Lateinunterricht? Ein Wagnis zweifelsohne!

Tim Goerz (Abi 2013) sah sich die Ruth Asawa-Inszenierung der Oper (Link zu youtube) vorab an und bildete sich eine Meinung zur Einsetzbarkeit der Oper im Lateinunterricht:

Trotz der modernen Interpretation der Aeneis spreche ich mich für ihren Einsatz im Unterricht aus: Durch die klassische Musik und die schönen Stimmen werden die Gefühle Didos und Aeneas' eindrucksvoll dargestellt. Dies ist mein wichtigstes Argument für die Oper, da ein „schlichter“ Übersetzungstext die Gefühle der Protagonisten niemals derart vermitteln kann und somit auch Empathie deutlich besser ermöglicht wird.

Allerdings sehe ich, trotz der interessanten Abwechslung, die die Oper im Unterricht bieten könnte, auch einige Risiken:

1. Englisch kann man versetehen, aber „Opern-Englisch“?

2. Es wird ein viel zu kleiner Ausschnitt der Aeneis herausgegriffen.

3. Nicht Merkur, sondern drei merkwürdige Frauen sprechen zu Aeneas.

4. Das Ende, der Tod Didos wird nicht richtig klar (Scheiterhaufen!).

5. Anchises und vor allem Ascanius fehlen (Ascanius, der Alba Longa erbauen soll, ist ja immerhin der Grund, warum Aeneas sich für die Abreise entscheidet.)

6. Eine richtige Kulisse fehlt (vielleicht ein misslungener Versuch, das Stück zeitlos zu gestalten).

7. Der moderne Tanz des Hofes der Dido wirkt befremdlich.

Ausgehend von dieser Kritik entschied sich der Kursleiter für den Einsatz der Oper, aber in einer anderen, klassischeren Version von Richard Hickox (Link zu youtube); das Libretto wurde in englischer und deutscher Version zur Verfügung gestellt.

Die Schüler der Q1 (Abi 2014) kamen in der vergleichenden Analyse zu folgenden weiterführenden Schlüssen:

Analyse Schwerpunkt/ Intention: Liebesgeschichte statt göttlicher Mission; Sympathie für Dido, nicht für Aeneas intendiert (vgl. Titel: „Dido and Aeneas“, und nicht umgekehrt)

Analyse Aeneas: wankelmütig; will am Ende doch noch bei Dido bleiben; eher kein Held, zu schwach

Analyse Dido: reagiert traurig, nicht zornig; bestärkt (!) Aeneas am Schluss zum Aufbruch; Selbstmord daher auch undramatisch

Analyse Musik: Handlung und Musik passen zueinander: Tempo in den Zwiegesprächen, Stille und Langsamkeit in den Monologen

Eine Oper als Rezeption des römischen Nationalepos? Barock-Musik im Lateinunterricht? Ein Wagnis zweifelsohne! Aber es hat sich gelohnt: Neben der Vertiefung der Lektüre durch den Vergleich mit der Oper öffnete diese auch unseren kulturellen Horizont und machte interdisziplinäres Arbeiten an einer Stelle möglich, an der man dies wenig vermuten mag.

(SuoC)